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Tom Rob Smith: Kind 44
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nebelwind Offline
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Beitrag #1
Tom Rob Smith: Kind 44
Leute, ich lese gerade dieses Buch, das mich mehr schockiert als jeder blutige Thriller.
Nun, es ist ein blutiger Thriller. Das Besondere daran aber ist der Schauplatz: Sowjetunion 1953, um den Tod Stalins herum.

Wir haben sicher alle genug über die Nazi-Zeit gehört, um zu ahnen, was staatlicher Terror und brutaler Faschismus ist. Kein bisschen besser war es in Russland zu jener Zeit. Leo Demidoff ist ein Geheimdienstoffizier, der an den Staat glaubt und alles für sein Land tun will, deshalb betrügt er sich selbst über seine Rolle in diesem Staat - nämlich die, Angst und Schrecken zu verbreiten.

Allerdings ist Leo doch ein Mensch mit Skrupeln. Und so kommt im Laufe der Geschichte seine innere Anständigkeit zum Tragen, die ihn in Schwierigkeiten bringt. Seine Frau wird willkürlich als Spionin verdächtigt, und Leo selbst soll sie überführen. Er lässt sich aber nicht korrumpieren und sagt, wie es ist: Seine Frau ist unschuldig. Wenn Stalin nicht eben gestorben wäre, wäre Leo sicher exekutiert worden, aber so wird er nur mitsamt Frau in die Provinz verbannt. Seine alten Eltern müssen aus ihrer schönen Wohnung, die er durch seine Beziehungen für sie organisiert hat, und bekommen schlechte Arbeitsstellen.

Es geht dazu um einen Serienmörder, der in den verschneiten Wäldern Kinder umbringt und ihre Leichen verstümmelt. Im Kommunismus, der "perfekten Gesellschaft", gibt es aber angeblich keine Verbrechen mehr. Da wird die Statistik gemäß der Ideologie geschönt. (Das kennen wir ja heute noch - z.B. die Arbeitslosen-Statistik.)
:thumbdown:

Leo macht sich trotzdem an die Ermittlung und verursacht dadurch manche Katastrophe. Es ist wirklich schockierend, wie dort mit Menschenleben umgegangen wird! Das Schlimme ist ja: Die Geschichte ist Fiktion, aber so ähnliche Vorfälle hat es millionenfach wirklich gegeben.

Wer verdächtigt wird, gegen den Staat zu sein, wird sofort inhaftiert, gefoltert und hingerichtet. Es gibt keine Entlassungen, denn der Staat irrt sich ja nicht. Die Gefolterten müssen dann Namen anderer "Verräter" nennen, und nicht selten gerät auch ein Name auf die Liste, den der Verhörende selbst gern dort sähe, weil er sein Feind ist. Diese totale Willkür erinnerte mich oft an die Hexenverfolgungen. (Natürlich nicht aus eigener Erfahrung. *g*) Wer da einmal in die Mühlen geriet, hatte kaum eine Chance, wieder herauszukommen. Aber immer noch mehr, als da im Stalinismus.

Ich bin noch nicht ganz durch, aber ich kann Euch schon sagen, dass das eines der eindrucksvollsten Romane ist, die ich je gelesen habe. Die meisten vergesse ich ja schnell, aber dieses ganz bestimmt nicht! "Dieses Buch geht wirklich unter die Haut" steht auf dem Umschlag - ich würde sagen, es geht bis ins Mark!

Die Rezensionen bei Amazon sind extrem unterschiedlich: Von einem Stern und "grottenschlecht" bis "Könnte man doch mehr als fünf Sterne vergeben!" Ich hab das Gefühl, die Kritiker, die das Buch verrissen, fühlten sich politisch auf die Zehen getreten. Dabei ist meiner Ansicht nach der Gedanke des Sozialismus nicht diskreditiert. Es war nur eben kein Sozialismus, sondern reiner Faschismus. Da ist es ganz gleich, welche Ideologie man ihm zugrunde legt, ob National-Sozialismus oder irgendwas anderes.

Nicht falsch verstehen: Ich denke keinesfalls, dass "rechts" und "links" das Gleiche sind!! Links bedeutet Emanzipation und Menschenrechte, "alle Menschen werden Brüder" und so weiter. Rechts ist: Wir sind besser als die anderen, manche Völker und Einzelpersonen sind es nicht wert zu leben. Also die beiden Grundgedanken sind diametral entgegengesetzt. Man kann auch sagen: Links ist der Mensch, rechts der Unmensch.

Aber was gleich ist, sind Diktaturen. Die laufen alle nach dem gleichen Muster ab, egal ob bei den Nazis, in der chinesischen Kulturrevolution, bei Pol Pot, im Apartheidsstaat Südafrika und und und.

Es ist ein Goldmann Taschenbuch und kostet 9,95.
Tom Rob Smith: Kind 44
ISBN 978-3-442-47207-9
07.02.2010 16:24
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